Elchjagd in Estland 2006

Elchjagd in Estland 2006

Hallo Herr Möller,

in der Anlage erhalten Sie nun endlich den Bericht meiner Elchjagd in Estland in 2005. Nein, man muß mir nicht alles aus der Nase ziehen, beruflich bedingt haben manchmal andere Sachen aber Priorität. Wenn Sie möchten verwenden Sie den Bericht für Ihre Sauer-Site oder für die Jagdberichte. Alle Elche wurden von mir mit Norma Oryx in 7x64 geschossen.

Mit freundlichen Grüßen, und Weidmannsheil , Marc A. Kleinert, Januar 2007

Im Land an der Ostsee wurde ein für mich lang gehegter Traum wahr. Na ja, was heißt schon langgehegter Traum ? Eigentlich war es ja mehr ein Plan, der mal anläßlich eines Taubenjagdtages zwischen S. und mir geschmiedet wurde und das Ziel hatte zu unseren vierzigsten Geburtstagen einen Elch zu jagen. Nur leider oder zum Glück, bin ich manchmal sehr ungeduldig und wollte nicht mehr unbedingt bis zu meinem vierzigsten Geburtstag warten. Ich wollte zu meinem Dreißigsten schon etwas unternehmen und erschwerend kam hinzu das ich mir mal bei einer Drückjagd im Spessart von meinem dortigen Bekannten Christian das Buch Elchwald von Hans Kramer ausgeliehen hatte. Das Buch hielt mich so gefesselt, daß ich mir selber ein gut erhaltenes Stück in einem Antiquariat suchte und sofort verschlang. Von da an gab es für mich kein Halten mehr : Ich wollte einen Elch jagen.

Freund Rainer wurde nun im gleichen Jahr vierzig und seine Frau fragte mich, ob ich ihr eine Jagd für ihren Mann einrichten könnte, die sie ihm dann schenken wollte. Gesagt getan, ich dachte natürlich gleich an Afrika konnte es mir auch sehr gut vorstellen ihn dorthin zu begleiten. Natürlich wären wir zu Nantie geflogen, was sonst ? Ich begann Rainer auszuhorchen über dies und jenes und mußte feststellen, er war so gar nicht für Afrika zu begeistern. Zu warm und zu weit und außerdem habe er keine Beziehung zu dem Wild, so sagte er. Gut, eine ehrliche Antwort. Er war eben mehr dem nordischen oder besser gesagt dem europäischem Wild zugetan. Nun sollte ein Ausweg her : Die Elchjagd. Nach kurzer Rücksprache mit seiner Frau begann ich mit der Firma Weyer Kontakt aufzunehmen und bald Zeit stand das Vorhaben fest. Alles weitere wurde zwischen Rainers Frau und mir besprochen und wir brauchten nur noch seinen Geburtstag abwarten. Zwar begann er vorher schon zu bohren, er war ein wenig mißtrauisch was seine Frau mit mir denn so zu besprechen hätte, bekam aber nichts heraus. Die überaschung gelang, er wußte zwar, ihn würde etwas erwarten, aber nicht was.

Anfang Oktober war es soweit : Von Berlin ging es über Helsinki nach Reval (auch Tallin). Am Flughafen wurden wir von Enno, der später mein Jagdführer wurde, und seinem Sohn, die bereits einen weiteren Gast abgeholt hatten, willkommen geheißen und dann ging es durch die Stadt hinaus in das Jagdrevier. Während der Fahrt stellte sich heraus, der weitere Gast kam aus London. Zufälle gibt es : Ich arbeitete seit nun gut sechs Monaten in England, wir flogen tausend Kilometer, um dann in Estland fünf Tage mit einem Engländer zu verbringen. Manchmal ist die Welt schon klein. Nach einem kleinen Imbiß hatten wir Gelegenheit unsere Ausrüstung auszupacken, uns noch kurz auszuruhen und wurden dann am späten Nachmittag von unseren Jagdführern abgeholt. Rainer und ich fuhren mit Enno mit weil ich ihn, als er uns den Ablauf für den Ankunftstag erklärte, gebeten hatte einen Prüfschuß abgeben zu können. Rainer wollte auch und gemeinsam fuhren wir zu einer Art Sandgrube um unsere Waffen zu überprüfen. Die Schüsse paßten und wir wurden auf unsere Ansitze gebracht. Morgens sollte gepirscht werden und abends angesessen, weil die Zeit abends zum Pirschen nicht mehr ausreichte, es wurde relativ schnell dunkel – außerdem jagten wir auf fast 20.000 Hektar. Wie sich dann herausstellte, war die Sandgrube gar keine sondern Dünen. Wir jagten in einem Nationalpark direkt am Meer, der Strand war keine fünf Gehminuten von unserem Jagdhaus entfernt ! Ich glaube man kann unsere Begeisterung nachvollziehen als wir an unserem letzten Tag Elchfährten am Strand fanden. Ich fühlte mich sofort in den Elchwald und an die Kuhrische Nehrung versetzt. Doch zurück zu unserem ersten Abend : Rainer bekam eine geschlossene Kanzel und ich wurde auf eine offene Eisenleiter an einem Rapsschlag gebracht. Eigentlich passierte gar nichts, bis auf einen Fuchs der direkt unter meine Leiter schnürte um sich dort zu lösen. Na, das war ja eine tolle Begrüßung. Auf meinen Spruch „ Hey, spinnst du ? “ nahm er fluchtartig reißaus und ward nicht mehr gesehen.

In Dunkelheit fuhren wir zu unserer Unterkunft zurück. Rainer hatte nichts gesehen und ich nur den Fuchs. Doch konnte einer Erfolg verkünden : unser Mitjäger aus England. Er hatte einen Schmalspießer aus einem kleinen Rudel mit Tier und Kalb geschossen. Das fing schon gut an, entsprechend hochmotiviert standen wir am nächsten Morgen auf – es galt den Elchen. Nach einem kurzen Frühstück teilten wir uns auf und jeder verschwand mit seinem Jagdführer in der beginnenden Dämmerung. Wir glasten Kahlschläge ab, begutachteten Salzlecken und kontrollierten Wildäcker – keine Elche. Bei Rainer ebenso nichts. Gut, ausgiebig geFrühstückt, ein bißchen eingekauft. Nachdem wir dann den Schmalspießer begutachtet hatten wurde ausgiebig ausgeruht – schließlich waren wir im Urlaub. Von unserer Haushälterin wurden wir erstklassig versorgt, drei feste Mahlzeiten und Kaffee. Wir müssen ziemlich verhungert ausgesehen haben. Das Wetter war ebenso freundlich zu uns : spätsommerliche Temperaturen, eigentlich noch zu warm für Elche, außerdem waren die Hirsche immer noch in der Brunft, wenn auch nur vereinzelt. Unser englischer Mitjäger wurde mittlerweile von uns nur noch der Friseur genannt , er war auch von Beruf einer. Unser Friseur hatte mehr Glück als wir, oder nicht ? Er hatte einen starken Hirsch vor und ihn krank geschossen. Die Jäger hatten den Hirsch mit ihren Laikas nachgesucht doch leider ohne Erfolg.

Nachdem er dann den verspäteten Probeschuß machte wurde es ein wenig klarer : seine Waffe schoß zu tief. Wir jagten jedenfalls weiter ohne Elche in Anblick zu bekommen.

Am dritten Tag morgens dann endlich ein Elch. Auf dem Weg zu einem Wildacker entdeckten wir ein Schmaltier das sich in einer Wiese niedergetan hatte. Als wir näher pirschten kam es hoch, verhoffte nach einigen Fluchten und sicherte neugierig zu uns herüber. Nach einiger Zeit trollte es sich in einen angrenzenden Erlenbruch. Ich war schwer beeindruckt. Wir hatten ja schon den erlegten Schmalspießer gesehen aber dieses Wild in seiner natürlichen Umgebung zu sehen war kein Vergleich. An diesem Morgen sahen wir noch eine weitere Elchkuh, allerdings in 300 Metern Entfernung. Der Elchbestand beträgt in Estland zwischen 2 und 3.000 Stück. Daneben kommt auch noch Rotwild, Rehwild und Schwarzwild vor. Vereinzelnd gibt es des weiteren noch Rentiere. Die drei großen Raubwildarten Bär, Wolf und Luchs sind ebenfalls anzutreffen. Die Bestände werden für den Bär mit 800, für den Wolf mit 600 und für den Luchs mit 2.000 Stück angegeben. Wolf, Bär und Luchs sind in Estland jagdbar, wobei der Beitritt zur EU, der in Estland oft kritisiert wird, Einschränkungen gebracht hat. Enno sagte, durch zunehmende Wolfe würden die Bestände an Elch und anderem Schalenwild merklich zurückgehen würde. Das Schwarzwild ist in geringen Dichten landesweit anzutreffen, erreicht dann aber überdurchschnittliche Stärke, da nur die Stärksten die langen schneereichen Winter und die Wolfsrudel überstehen.

Estland grenzt an Lettland, Rußland sowie an die Ostsee. Über den Finnischen Meerbusen hinweg bestehen enge Beziehungen zu Finnland. Das Land ist mit 45.227 km2 flächenmäßig etwas kleiner als Niedersachsen und etwas größer als die Schweiz. Im Süden des Landes befindet sich die größte Erhebung, der Suur Munamägi mit 318 m. Der größte See ist der Peipsi Järv, der Peipussee. Vorgelagert befinden sich 1.520 Inseln, die größte davon ist Saaremaa. Auffällig in Estland ist der reiche Baumbewuchs, rund 44 % der Landesfläche sind bewaldet.

Am gleichen Abend saß ich dann auf dem Sitz an dem Wildacker, den wir morgens kontrollieren wollten. Ich hatte vielleicht eine Stunde gesessen als plötzlich Bewegung in die Sache kam. Auf gut 300 m zog ein Schmaltier auf die Fläche, dem nach kurzer Zeit Tier mit Kalb folgten. Ich konnte nun das Wild in Ruhe ansprechen, der Wind stand günstig und Zeit war auch noch mehr als genug. Von Zeit zu Zeit sicherte das Tier aber immer in den Bestand zurück, woraus ich nicht ganz schlau wurde. Sollten noch weitere Elche folgen ? Nichts geschah, bis mit einbrechender Dämmerung ein weiterer Elch auf der Fläche erschien. Zum Ansprechen war es für die Entfernung schon zu dunkel, doch konnte ich noch erkennen das dieser einzelne Elch Interesse an dem Tier zeigte und dieses mit einem Schnauben, das ein wenig an das eines Pferdes erinnert, auch kundtat. Das Tier hingegen erwiderte sein Begehr nicht, sondern trieb ihn mit raumgreifenden Fluchten immer wieder in Richtung Bestand zurück.

Eine halbe Stunde nach Dunkelheit nahm ich die Scheinwerfer eines Geländewagens wahr. Ich rief Rainer an, von dem ich wußte das Enno ihn schon abgeholt hatte, und sagte ihm, sie sollten an der Wegkreuzung warten. Vorsichtig baumte ich ab und ging zum Wagen zurück. Ich erklärte Enno das ich Elche vorgehabt hätte und sagte ihm was ich beobachten konnte. Er meinte, wahrscheinlich habe ein junger Bulle versucht sich dem Tier zu nähern, immerhin war die Brunft noch nicht ganz vorbei, und sagte das man morgens hier noch mal nachschauen wollte. Ich hatte also richtig gehandelt den Wagen nicht näher kommen zu lassen und damit unter Umständen das Wild zu vergrämen. Rainer hatte wieder nur Rehwild vorgehabt und unser Friseur diesmal nichts. Nach einem ausgiebigen Abendessen fielen wir müde ins Bett – eigentlich hatten wir ja den ganzen Tag nichts anstrengendes getan...

Am nächsten Morgen wieder früh raus, irgendwann würde es klappen. Wir waren noch keine zehn Minuten gefahren als plötzlich vor uns ein Tier die geschotterte Forststraße überfällt. Wir hatten unsere überaschung gerade überwunden kam auch schon ein zweiter Elch hinterher : ein Schaufler ! Enno schaltete die Scheinwerfer aus, während ich die Scheibe meiner Tür runterkurbelte und rollte langsam mit ausgeschaltetem Motor weiter. Als er stoppte konnten wir den Hirsch ungefähr zwanzig Meter rechts von uns im Bestand ausmachen. Mit dem Fernglas waren die Umrisse der Schaufeln im beginnenden Licht gerade zu erkennen. Im Zielfernrohr war nur ein großer dunkler Fleck zu erkennen. Als ich die Waffe runter nahm, verschwand der Hirsch schemenhaft tiefer in den Bestand. An Schießen hatte ich sowieso nicht gedacht. Erstens hätte es voll ins Dicke gehen müssen und zweitens war das nicht die Vorstellung von dem wie ich meinen ersten Elch schießen wollte. Abgesehen davon das man den Hirsch wahrscheinlich krank geschossen hätte traute ich der 7x64 nicht zu den Hirsch im Feuer fallen zu lassen. Hans Kramer hatte die Patrone in seinem Buch als zufrieden stellend beschrieben und ich hatte mir für meine Sauer einen gebrauchten Wechsellauf in diesem Kaliber gekauft. Meine 8 x 57 wollte ich für Elche nicht mitnehmen, stellte dann aber bei Gesprächen mit unseren Jägern fest, diese schossen ihre Elche alle mit der .308" Win.. Nun denn, war das der Schaufler gewesen ? An diesem Morgen hatte wir keinen weiteren Anblick und als wir auf dem Rückweg zu unserem Jagdhaus an der Stelle noch einmal vorbeikamen fragte ich Enno nach seinem Plan für den folgenden Abend. So richtig habe er keinen, sagte er mir, die Elche würden noch in den Beständen stehen, es sei noch zu warm, eben noch Brunft und wo das Wild zu finden sei, wüßte er im derzeit so richtig auch nicht. Egal, das ist eben Jagd, sagte ich ihm und da ich mir so meine Gedanken gemacht hatte fragte ich ihn ob ich mich auf die Kanzel setzen könne, die Luftlinie ungefähr 500 Meter entfernt an einem Wildacker stand. Ich hatte da so eine Vorstellung.

Am Jagdhaus angekommen erwartete uns wieder das ausgiebige Frühstück. Rainer hatte im Morgengrauen ein Rudel Wölfe vorgehabt und war schwer begeistert. Elche hatte er aber nicht gesehen. Was tun ? Ausruhen und dann erstmal ein gepflegter Frühschoppen. Der erste des Urlaubs, herrlich in der warmen Herbstsonne inmitten beeindruckender Natur. Trotz des Anblicks war der Antrieb aber nicht mehr sehr hoch und ein Anruf bei Weyer bestätigte uns die Möglichkeit unter Umständen die Jagd zu verkürzen und uns noch ein wenig von Land und Leuten anzusehen. Der Mittagsschlaf war dann entsprechend ausgiebig und am Spätnachmittag ging es wieder los. Ich kannte meinen Platz ja schon und war gespannt. Als ich mich auf der Kanzel eingerichtet hatte schlief ich ein, das Bier mit meinen Namen hatte einfach zu gut geschmeckt. Nach gut einer Stunde war ich wieder hellwach, die Bühne war noch leer und ich harrte der Dinge. Als die Sonne bereits untergegangen war zog plötzlich Nebel auf und wurde immer dichter. Na toll, dachte ich, gleich steht hier alles voll mit Elchen und du kannst sie nicht mal ansprechen. Meine Sorge sollte vergebens sein, so plötzlich wie der Nebel gekommen war verschwand er bis auf ein paar Schwaden auch wieder. Die Temperatur war merkbar herunter gegangen. In beginnender Dämmerung bemerkte ich ein Elchtier das noch auf der anderen Seite der Forststraße stand und zu mir herüber sicherte. Langsam zog es über die Straße und begann zu äsen. Ich glaste die Umgebung ab, in der Richtung aus der das Tier gekommen war, konnte aber weiter nichts sehen. Dafür konnte ich aber um so mehr hören : von Zeit zu Zeit ein Knacken und dann ein Geräusch als wenn jemand mit aller Gewalt auf einen Busch eindrischt : Brechen von Ästen und Rascheln von Laub. Das Geräusch kam immer näher und so langsam dämmerte es mir : ein Hirsch der mit seinem Geweih Büsche und Sträucher niederkämpft ! Meine Sinne waren auf das Äußerste gespannt. Die Elchkuh äste seelenruhig weiter. Ich hatte die Waffe quer auf meinen Beinen liegen und glaste immer in Richtung des Geräusch. Irgendwann mußte doch mal was zu sehen sein. Das Geräusch kam immer näher und wurde intensiver und da sah ich ihn plötzlich : mit waagerecht gehaltenem Träger zog er genau auf der Fährte des Tieres. Vielleicht liegt es an der Größe dieses Wildes aber die Bewegungen sehen sehr gemächlich und ohne jede Hast aus. Ich konnte erkennen, daß es ein Hirsch war, aber gegen den dunklen Hintergrund nicht genau was er auf hatte. Bis er vor eine Nebelschwade zog und ich im Glas deutlich die Schaufeln und den Bart sehen konnte. Er überquerte die Forststraße und zog in den Raps. Schnell und leise hatte ich die Waffe in Anschlag gebracht und beobachtete ihn nun durch das Zielfernrohr. Das Absehen stand auf dem Blatt und als er fast vor die Kanzel gezogen war ließ ich fliegen. Im Schuß machte einen weiteren Schritt nach vorn, ohne aber weiter zu zeichnen. Ich hatte sofort in den Schuß hineinrepetiert und setzte ihm die zweite Kugel auf das Blatt. Daraufhin drehte er sich in der Fährte und zog zügig zurück in die Richtung aus der er gekommen war. Ich hatte ihn jetzt nur noch spitz von hinten im Glas und ließ ein drittes Mal fliegen. Nach dem ersten Schuß war ich von meinem Stuhl aufgestanden und schoß stehend auf der Kanzelbrüstung aufgelegt weiter, so hatte ich mehr Bewegungsfreiheit. Der Hirsch überfiel die Forststraße und nahm gerade den Bestand wieder an als ich ein viertes Mal schoß. Im Schuß konnte ich durch das Zielfernrohr erkennen, wie der Hirsch rücklings umschlug und dann nicht mehr hoch kam. Das Tier sicherte mittlerweile aus einiger Entfernung zu mir herüber und trollte sich dann langsam aber nicht besonders aufgeregt. Nach weiteren Minuten gespannten Wartens suchte ich meine Sachen zusammen, nahm die Lampe mit die Enno mir vorsichtshalber mitgegeben hatte und baumte ab. Mit klopfendem Herzen ging ich in Richtung Elch und da lag er.

Ich konnte mein Glück gar nicht fassen. Mein erster Elch ! Immer wieder betastete ich die dichte grauschwarze Decke, das lange Haupt, den Windfang, die grauweißen langen Läufe mit den handgroßen Schalen und nicht zuletzt die Schaufeln. Ich war schwer beeindruckt. Ich habe ja schon viel gejagt und auch schon viele Wildarten gesehen, auch afrikanische, aber von keiner bin ich so beeindruckt wie den Elchen. Riesig und fast schwarz lag er vor mir.

Nachdem ich alles auf mich hatte wirken lassen rief ich meinen Bruder an um ihn an meiner Freude teilhaben zulassen. Danach rief ich Enno an und sagte ihm, daß ich einen „Bullen“ geschossen hätte. Und wieder war ich mit meinem Elch alleine und konnte mein Glück kaum fassen : Als wir die Elche morgens gesehen hatten und ich dann sah, wie weit der Wildacker von der Stelle entfernt war kam mir eine Idee. Was wäre, wenn die Elche auf dem morgendlichen Rückwechsel von eben diesem Wildacker gewesen waren ? Würden sie dann nicht versuchen abends dort wieder auszutreten nachdem sie den Tag im dichten Bestand verbracht hatten ? Es war eine Möglichkeit und eine Chance vielleicht zu Erfolg zu kommen und ich hatte mal wieder den richtigen Riecher gehabt. Jäger ist man – oder nicht. Und wenn Diana einem zulächelt sollte man tunlichst zurücklächeln und dann muß man sein Glück können. Von anderen Jagden habe ich eine Erfahrung gemacht : Solange man das Wild in Sicht hat, wird geschossen, gerade im Ausland. Das flächendeckende Netz von Schweißhunden wie wir es aus Deutschland kennen, ist in den meisten anderen Ländern nicht bekannt und jeder Schuß, der das Wild noch kränker macht, ist gut angebracht. Auf die Wildbretzerstörung braucht man dabei nicht zu achten, die ist meistens geringer als gemeinhin angenommen. Mittlerweile war Enno eingetroffen und mit einem kräftigen Schlag auf die Schulter und einem festen Händedruck wünschte er mir Weidmannsheil. Dann ging es an das Aufbrechen. Enno machte gerade Anstalten seine Sachen zu richten, er hatte dafür so ein Art Arzttasche mit allem notwendigen Werkzeug, als ich ihm bedeutete, das ich den Elch gern selber aufbrechen würde. Ich finde mich noch zu jung für das Bedient-zu-werden in der Weise von aufzubrechen oder Wild-zu-bergen. Außerdem gehört die rote Arbeit mit zum Handwerk, sozusagen als Pflicht, wenn man den Schuß als Kür bezeichnen will. Enno hatte jedenfalls nichts dagegen und bot mir seine knallgelbe Regenüberhose an, die ich aber dankend ablehnte. Ich wollte ja nun nicht in den Elch hineinsteigen. Gemeinsam wuchteten wir den Hirsch auf den Rücken und mit dem Geweih verankerten wir im Boden so das er nicht zur Seite fallen konnte. Das Aufbrechen erledigte sich recht einfach , die Maß sind nur eben ein wenig größer.

Aus Südafrika war mir dies ja schon bekannt, dort hatten wir immer das Wild versorgen und zerlegen müssen und einen schweren Brunfthirsch hatte ich ja durch Zufall auch schon geschossen. Alle guten Dinge waren mal wieder drei : es sollten Stangenelche sein und ein vergnüglicher Urlaub mit Rainer werden. Und nun brach ich gerade einen Vollschaufler auf. Ich bin noch nie irgendwohin gefahren um gezielt auf eine Spitzentrophäe zu jagen. Es waren immer Jagdausflüge, in denen ich Land und Leute und andere Wildarten kennenlernen wollte und die Trophäe dann als Schön Erinnerung mit nach Hause genommen habe, egal wie stark. Die Hauptsache ist das gut gejagt wird. Gut, man hätte den Elch auch schonen können, in Anbetracht der Lage mit Witterung, Jahreszeit und Wilddichte stellte sich mir diese Frage aber nicht und irgendwann hätte man sich in den A... gebissen, wenn ich meine Gelegenheit nicht genutzt hatte. So war alles gut.

Nachdem wir den Elch versorgt hatten luden wir ihn auf den mitgebrachten Anhänger auf. In der Zwischenzeit waren auch Rainer und sein Jagdführer angekommen und auch sie wünschten mir ein herzliches Weidmannsheil. Während Rainers Führer den Elch wegschaffte, brachte Enno uns zu unserem Jagdhaus. Mit einem Bier wurde erstmal auf den Erfolg angestoßen und auch Rainers Stimmung stieg wieder. Der Friseur begrüßte uns kurz und als er hörte was geschehen war, sah irgendwie ein bißchen grün aus – vor Neid.

Die Nacht war kurz und erholsam und am nächsten Morgen ging es wieder los. Doch das Wetter hatte sich geändert. Das es merklich kühler geworden war, hatte ich am gestrigen abend schon bemerkt, Es hatte also leicht gefroren und ein leichter Rauhreif lag auf allen Pflanzen. Enno meinte, dies sei das Wetter, daß man zur Jagd auf Elche bräuchte. Denn los. Ich war nicht ganz so wild, hatte ich doch meinen Elch und erstmal sollte Rainer nun zum Erfolg kommen. Ich hoffte aber trotzdem noch Elche in Anblick zu bekommen um zu beobachten oder auch ein paar Bilder zu schießen. Vielleicht würde ich ja auch noch Wölfe sehen oder vielleicht einen Luchs. Birkwild hatten wir morgens einmal vorgehabt, als wir eine Salzlecke auf einem Kahlschlag prüften. Enno fuhr gerade durch einen Wiesenschlag, der im morgendlichen Nebel lag, als keine zwanzig Meter links von uns ein Schmalspießer hoch wurde und vertraut durch das Höhe Gras von uns weg zog. Das fing ja schon gut an. Enno sollte mit dem Wetter recht behalten. Nach ein paar weiteren Kilometern bog er in einen Forstweg ein und erklärte mir wie der Weg weiter verlaufen würde und wo er warte würde um mich wieder mitzunehmen. Ich sollte also wieder auf eigene Faust lospirschen, das war ganz nach meinem Geschmack.

Wir hatten das die anderen Morgen auch schon geübt : gegen Ende der Jagd ließ Enno mich immer noch durch verschieden Bestände pirschen in der Hoffnung, noch auf herumbummelnde Elche zu stoßen. Die Wahrscheinlichkeit war bei der Witterung hoch, weil die Elche die offenen Äsungsflächen noch nicht annahmen und sich noch im Wald aufhielten, da ihnen die Äsung sozusagen in den Äser stand. Bei Kälte ziehen sie dann nach draußen, auch der Feindvermeidung wegen, da das gefallene und gefrorene Laub zu laut ist und die kleinste Maus alle Sinne vereinnahmt. An einem dieser Morgen war ich tatsächlich auch auf einen Elch getroffen, ein einzelnes Tier. Ich pirschte also los. Als ich dem langsam den beschriebenen Weg entlang pirschte, fand ich eine Stelle an der Sauen frisch gebrochen hatten. Es roch auch verdächtig nach Schwarzkitteln und nach ein paar Schritten stand ich an einer kleinen Suhle die in einer Treckerfahrspur entstanden war. Ich pirschte weiter, links von mir ein Bestand aus Birken, Erlen und anderen Weichhölzern, rechts von mir eine Art Flächenstillegung mit Getreide, als ich vor mir einen Wildacker entdeckte. Das hatte Enno also im Sinn gehabt. Vorsichtig pirschte ich bis ich über die Kante des Getreides die Fläche einsehen konnte. Elche ! Auf der Fläche ästen zwei Stangenelche und als ich gerade noch einen Schritt machen wollte, sah ich wie ein Schmalspießer aus dem Bestand heraustrat. Der Wind stand günstig und am Pirschstock angestrichen konnte ich das Wild bequem beobachten. Sofort fiel mir Rainer ein, er hatte noch keinen Elch und wegen dieser Stangenelche waren wir ja hier. Vorsichtig pirschte ich zurück, darauf achtend keine Aufmerksamkeit zu erregen und rief Rainer an. Ob er einen Stangenelch schießen wolle, ich würde gerade vor welchen stehen und ob er herkommen wolle, fragte ich ihn. Daraufhin antwortete er mir nur, er hätte gerade vor fünf Minuten seinen ersten Elch geschossen. Na denn Weidmannsheil. Sie wollten jetzt erstmal weiter sehen und ich sollte mir was einfallen lassen. Damit war das Gespräch beendet. Gut, schnell war die Entscheidung gefallen : der Stärkere der beiden Stangenelche sollte es sein. Ich wollte ja gerade so einen Fahrradlenker haben.

Vorsichtig zurückgepirscht fand ich die Elche immer noch vertraut äsend vor. Langsam strich ich am Pirschstock an und als das Absehen hinter dem Blatt zur Ruhe kommt lasse ich fliegen. Auf den Schuß hin ruckt der Elch und geht hochflüchtig nach links in Richtung Wald ab. Gleichzeitig mit dem Hirsch sprinte ich los, lasse den Pirschstock fallen, repetieren und das variable Glas auf das 2,5 – fache herunterdrehen ist fast eine Bewegung. Als der Hirsch auf meiner Höhe ist trennen uns noch ungefähr 30 Meter. Stehenbleiben und die Waffe anschlagen ist eins, ich fahre noch ein kurzes Stück mit und lasse fliegen. Im Schuß fiel der Hirsch augenblicklich im Feuer, fünf Meter bevor der Wald ihn verschluckt hätte. Der Elch stand ungefähr hundert Meter rechts von mir. Um den Bestand links zu erreichen, mußte er den Weg, auf dem ich entlang gepirscht war, kreuzen . Schnell die letzten Meter im Laufschritt zum Elch um sicherzugehen. Er ist bereits verendet.

Ich stehe vor meinem zweiten Elch, die Freude ist nicht weniger gering, die Erlegung nicht weniger denkwürdig. Jäger ist man - oder nicht und man muß sein Glück halt können. Fünf Minuten später kommt Enno bereits mit dem Wagen. Was ich denn solange gemacht hätte, er sei jetzt losgefahren um mich zu holen. Na, der staunte nicht schlecht als ich ihm den Elch zeigte. Das Aufbrechen war natürlich wieder meine Sache und nachdem wir den Elch mit Toilettenpapier von der großen Industrierolle ordentlich gegen Raben und Füchse verblendet hatten ging es zurück zum Jagdhaus wo ein deftiges Frühstück auf uns wartete. Enno hatte sich in den letzten Tagen eine ordentliche Erkältung zugezogen und bediente sich daher recht ordentlich von der Rolle. Ob sie nur deshalb im Auto lag weiß ich nicht auf jeden Fall konnten wir sie gut für den Elch brauchen.

Rainer hatte in der Zwischenzeit noch einen zweiten Elch geschossen und war entsprechend gut zufrieden. Unser Friseur hatte wieder Pech gehabt : Der schoß auf 150 Meter einen weiteren starken Elch vorbei. Das Frühstück schmeckte uns trotzdem und danach fuhren wir wieder los das Wild zu bergen. Anfangs hatte ich noch die Vorstellung mit den Elchen Strecke zu legen und dann für alle ein schönes Erinnerungsfoto zu machen. Als ich dann aber die Dimensionen sah und die Schinderei beim Bergen konnte ich Enno verstehen, der von dem Gedanken überhaupt nicht zu begeistern war. Wir zogen die Elche mittels Seile, die wir an den Geweihen festmachten, und dem Geländewagen über Holzbohlen auf den Anhänger. Nachdem dann am Forsthaus die Häupter abgeschlagen wurden brachten wir das Wild dann zu einem Fleischbetrieb, der dann das Wildbret weiterverarbeitete.

Der Friseur war morgens schon abgereist und hatte, auch zur Verwunderung der Jäger, die Trophäe seines Schmalspießers zurück gelassen. Seine Begründung war Folgende : Er habe an diesen vier Tagen soviel Pech gehabt und sei so unzufrieden, das er keine Lust habe immer wieder durch den Anblick dieser Trophäe daran erinnert zu werden. Außerdem sei die Trophäe ja nichts Besonderes, weil klein und von einem jungen Stück. Hat man da noch Worte ? Rainer ließ es sich jedenfalls nicht nehmen den Elch einzupacken. Er würde sich immer wieder gern daran zurückerinnern, so sagte er.

Abends luden wir dann unsere Jagdführer zu uns in das Jagdhaus ein und bei deftigem Essen, Bier und gutem estnischen Wodka ließen wir die Erlebnisse noch mal Revue passieren. Gerndürften wir noch mal wiederkommen. So was hört man gern. Am letzten Tag fand für uns dann keine Jagd mehr statt. In Ruhe packten wir unsere Sachen, erstellten das Jagdprotokoll und fuhren zurück zum Flughafen um eineinhalb Stunden später wieder in Berlin zu sein.

Marc A. Kleinert, Januar 2007