Mein erster Bock

Mein erster Bock

schönes Leben: Mein ersterBock

Als Stadtmensch hoffe ich mittels Jagd meiner geliebten Natur näher zu kommen. Bisher dienten Waffen in meiner Familie eher unser Vaterland zu verteidigen. Wir schossen auf Menschen, nicht auf Tiere. Zwar hat unser deutsches Reich seit dem 30-jährigen Krieg zu Gunsten unserer Anrainer nur Gelände verloren; die Scharte auszuwetzen versuchten wir es dessen trotz immer wieder. Leider meist erfolglos. Ich war jagdlich also eher unbeleckt, als ich mich beim LJV zur Ausbildung einschrieb. Meine bald einjährige Jagdausbildung gefiel mir gut, so daß ich gleich noch anschließend den halbjährigen sogenannten Ökolehrgang“ besuchte. Darin erforschten wir alle im Land und an der Küste vorkommenden typischen Pflanzengesellschaften und deren Biotope, daß der alte Ellenberg seine Freude gehabt hätte. Freude und Bereicherung für jeden Naturfreund!

Eine sehr freundliche Dame, welche das Übel aller Jungjäger, keine Gelegenheit zu jagen zu haben, erkannte, sagte entschlossen zu mir „Sie müssen einen Bock schießen!“, lud mich zu sich und ihrem Mann in deren Jagdhütte im Drawehn ein, meinen ersten Bock zu schießen. So eine Freude! Nicht nur Papierböcke mit Kreisen , echtes Wild sollte ich mit meiner Großkaliberbüchse schießen. Für gutes jagdliches Gelingen stürzte ich mich in Kosten, bestellte am Neuen Wall aus dem Regal auf einen wunderschönn Repetierer ein großes Zielfernrohr mit Leuchtabsehen zu bauen. 5.500 DM sollte die berappen. Gut. Ich glaubte des Verkäufers Rat, so etwas schickes mindestens haben zu müssen (Wenn ich an heute denke, tz, tz). Meine r erste Jagd rückte näher. Die Waffe blieb in zeitlicher Ferne, denn nach bald sechs Wochen konnte der Neue Wall immer noch nicht liefern. Dabei sollte doch nur ein gewöhnliches ZF montiert werden. War das denn so schwierig? Als ich nun endlich los mußte (ohne Waffe konnte ich ja wohl kaum erscheinen), bekam ich einen alten deutschen 500 DM Wehrmachtskarabiner in 8x57 IS aus russischen Beutebestand mit kyrillischer Stempelung, aber immerhin mit Jagdschaft, deutschem Stecher und Zielfernrohr, geliehen. Die Waffe sei eingeschoßen, sagte man mir. So kaufte ich denn für 74 DM eine Schachtel 12 g TM Rundkopf Patronen als Munition für meinen ersten Bock. Während der ganzen Ausbildung schossen wir meist KK. Nur einmal schossen wir Anfänger „Groß“kaliber, nämlich .243 Win. Ich wußte also nicht, was mich mit der 12g 8x57 IS erwartete.

Frau und Kind kamen zur Jagd mit. Spät erreichten wir unser freundliches Jagdquartier. Der Deutsch Langhaar „Fräulein Amsel“ freute sich und alle mit ihm. Unsere freundlichen Gastgeber führten uns abends noch ins Revier, zeigten uns die verschiedenen Ansitzmöglichkeiten und vor prasselndem Kaminfeuer wir schmiedeten Pläne für morgen. Am nächsten Tag regnete es kräftig. Unser Jagdherr meinte „Nach dem Regen kommen sie!“ Meine Frau und ich erreichten nach 300 m regennassen, Höhen Grases gut befeuchtet den offenen Hochsitz. Gleich gegenüber leuchtete etwas rotes vor dem Grün: ein Reh! Doch nicht nur wir bemerkten das Reh, ebenso bemerkte es uns und schwand flugs im Wald.

Gegenüber ein Getreideschlag. Daneben eine Wiese. Wir warten gespannt, auf das, was da kommen möge. Ich Dussel hatte kein Glas mit, mein Seglerglas hatte ich vergessen, mußte also durch das ZF ansprechen. Gar nicht viel später: Da, jetzt kommt eins! Bock? Nein, dessen Kopf war kahl. Ricke oder Schmalreh? Soll ich ..., oder soll ich nicht ... ? Die Entscheidung kam anders, als ich dachte. Mein Herz schlug mir dermaßen bis zum Hals, daß sich das Reh im Glas, schneller als die Kipphasen auf dem Schießstand, vor - rück - vor - rück, bewegte. Nein, an Schießen war so nicht zu denken. Im Juni stand das Getreide schon hoch. So erreichte das Reh ungefährdet, ohne daß ein Schuß geknallt hätte, die sichere Getreidekante, hinter die wir nicht leuchten konnten.

Auf der anderen Kanzelseite lag vor uns ein kleiner, von Wald eingefaßter, Rübenschlag ausgebreitet. Nach so einem kräftigen Regen leuchtet die Natur in kräftigen Farben. Der Himmel sieht noch feucht aus. Die Sonne lugt mit wenigen, kräftigen Strahlen durch die Löcher im Himmelszelt. Wir sitzen wie die Prinzen oben auf unserem Thron und überblicken alles. Als Maler wäre man hier jetzt genau so, wie als Jungjäger, richtig. Wie schön!

Katrin zupft aufgeregt den Ärmel meiner Regenjacke. Die Wachsjacke raschelt laut. Ich erschrecke mich, will zu ihr herüber zischen, sie möge bitte unser Wild nicht verscheuchen, als ich sehe, weshalb sie mich zupft. Rot! Schräg gegenüber auf gut 130m an des Waldes Rand sichert ein Reh. Ich backe an. Ricke, oder Schmalreh, oder so ähnlich. Was hat man mir immer eingebleut, bloß keine Ricke zu schießen. Das arme Kitz! Wie sagte unser Nachhilfelehrer immer so treffend „Der Bock näßt unter sich; die Ricke hinter sich.“ Ja und wie unterschiedlich nässen Ricke oder Schmalreh? Heute näßte keine. Jedenfalls ist das Haupt kahl. Schade. Mein weibliches Reh tritt aus der Deckung in die Rüben und beginnt ruhig und genüßlich zu äsen. Unser alter Militärprügel mit Glas wandert zwischen uns Beiden hin und her. Jeder will alles sehen. So ein schönes Tier. Ohne Angst ganz vertraut. Doch jetzt, erscheint noch eine rote Decke. Jawohl, der trägt was auf dem Kopf. Waffe hoch, entsichert, angebackt, eingestochen, Kammer auf den Zielstachel, es bewegt sich, nein, noch nicht, so vielleicht? Wieder weg, ... nun aber. Bock springt ab. Na, das kenne ich nun bis zum Überdruß von der Ausbildung. Entsichern - einstechen - Ziel fassen - Bock springt ab - entstechen sichern. Aber muß es denn in Wirklichkeit auch immer so sein. Bock springt ab. Mensch, ich will Beute machen! nicht nur exerzieren!

Per aspera ad astra; durch Anstrengung zu den Sternen. Wir warten also. Die Sonne sinkt. Doch immer noch ist die Sicht 1a. Wir Adler auf dem Horst lauern von der Höhe, bereit zuzugreifen. Hartnäckig zu warten soll sich bezahlen. An der Kante schimmert es rot. Beide Geschwister Reh erscheinen. Erst tritt die sorglosere Schwester in die Rüben, dann deren vorsichtigerer Bruder. Mir ist nun klar geworden „Wenn du treffen willst, muß du schießen!“ Dieses Mal fackele ich nicht lange Auf 130m steht der Bock breit. In die Hochsitzecke gut verkeilt aufgelegt ist ruhig zu zielen. Kleinigkeit. Das Raubtier durchbricht Jahrhunderte alten abendländisch sittlichen Zivilisationsschein. Kampflust steigt auf (Meine Tochter tötet eßbare Gummitiere). Gieriges Wackelzittern. Mein Puls geht zum Angriff über. Jagdfieber! Stecher gezogen, Zielstachel auf´s Blatt, Bumm! Au - meine Stirn schmerzt, Blut läuft mir über das zielende Auge. Und mein Bock? Nicht mehr zu sehen! Aber vor meinem geistigen Auge sehe ich das Stück im Knall zusammenfallen. Ich muß getroffen haben. Mein erster großkalibriger 12g 8x57 IS Schuß trat mich wie ein Pferd. Hatte ich denn die Waffe auch gut in die Schulter eingezogen? Nö! Nun „Dummes Fleisch muß ab!“, denke ich. Die Wunde der scharfen metallischen Okulareinfassung hat mir einen „schönen“ Halbmond verpaßt. Alles halb so wild. Mit einem Taschentuch getupft, bis der BlutFluß erliegt. Mir steht der Sinn nach Wichtigerem „Wo ist der Bock?“. DenAnschuß habe ich mir anhand der beiden Waldkanten und der Rübenreihen gemerkt. Nun hin! Zunächst müssen wir unseren Weg durch dornige Brombeeren brechen, dann über einen Graben springen (Platsch ist Katrin´s Stiefel fischgerecht gefüllt), herüber auf den Rübenacker. Immer an der vierten Reihe lang, gehe ich gespannt zum vermeintlichenAnschuß voran. Ich frage mich „Hast du Dir die Stelle gut gemerkt? Wird er da sein?“. Ja, vorn ich sehe etwas Rotes durch die Rübenblätter schimmern. Immer näher ´ran, jawohl, „Hurra, ich hab ihn!“. Bin ich froh. Wie sitz der Treffer? Die Decke weist mittig oben ein kleines Einschußloch auf. Ich wende den Bock. Au weia, da oben ist ja ein handtellergroßes Loch! Ich weiß nicht so recht, wie ich das Stück aufbrechen soll. An eine Sau konnte ich während der Ausbildung Hand anlegen. Aber ein Reh? Kurzerhand schultere ich meine Beute und trage den roten Hüpfer zum Feldweg, an dem unser Wagen steht. Als ich ihn schultere, merke ich ein seltsame Bewegung.

Unser Jagdherr ist hocherfreut uns mit Beute zu sehen. Er sagt, er habe schon so manchen Jungjäger eingeladen, der immer nur etwas gesehen und dabei zu schießen vergessen habe. Ich bringe das Stück in dessen Wildküche und wir beide brechen es unter seiner fachkundiger Anleitung auf. Jetzt kommt die Ursache der seltsamen Bewegung an den Tag. Das Rückrat ist zerschossen. Daher der plötzliche Fall. So eine 12g Riesenkugel ist für ein kleines Reh doch wohl zu viel des Guten.

Grausames Leben: Fehlschuß

Handwerksgesellen sollen wandern, bei verschiedenen Herren zu lernen. So fange auch ich an, treibe mich in Deutschland herum. Über die Schützengilde findet sich an des Flämings Fuß Waidwerkbedarf. Die Plane fließt unter der Feste Rabenstein, inmitten unberührter ringer Aubruchwälder in sumpfigen oft gefluteten Auen wunderschön durch eiszeitliche Schluchten. Winterlich vereisen Sickerwasserkaskaden deren Wände. Noch ist es warm. Schwarzerlen, Weiden und Eschen stecken ihre Wurzeln ins Feuchte. Weiter oben im Trockenen streben Stieleichen, Rotbuchen zur Sonne empor. Schwarzkiefern decken der Höhen Sand. So soll es sein! Vor dem Fläming im flachen Bodenreformland fließt die Plane als linealgerader Kanal, daß jeder Hafenbaumeister frohlockte. Den Naturfreund graust´s. Meine Freunde, die Rehe, besiedeln jedes Stück Land, das ihnen Ruhe und Äsung bietet, so auch jene Agrarwüste.

Mein neuer Jagdherr Jörg ist ein vielbeschäftigter Mann mit einem riesigen Revier. Ich lies verlauten eine Sau schießen zu wollen und wurde vermittelt. Böcke hat er nicht so viele, sagt er, aber für der Wildsauen Schaden muß er aufkommen. Er sucht eigentlich Wachschutz für die Nacht. Möglichst drei- bis viermal die Woche. Er weist mich folgendermaßen ein: Zu erst erfahren wir mit dem Wagen die 1.200 ha; dort bekomme ich die Grenzen gezeigt. Eine erste Aufgabe wartet auf mich: Eine standortreue bekannte Ricke fiel kürzlich dem Straßenverkehr zum Opfer Wir wollen weder den Fuchs das Kitz reißen lassen, noch das kleine Kind schändlich verhungern lassen. Daher soll ich das Alleingebliebene nun schießen. Es ist Sonntag. Mitkommen kann mein Jagdherr aus Zeitmangel in der Woche nicht. Während ich waidwerke ist Jörg fürderhin über das Händi zu erreichen. Morgen will ich´s wagen.

Schwarzer Kasten

Die Kanzel steht an einem Feldredder an der Kante zwischen Wiesenbrache und Maisschlag. Vor mir 500 m Ackerkante. Ich habe mein 20 x 77 Spektiv auf dem Stativ mit. Mit dem Gerät sehe ich weiter als die flimmernde Luft mich erkennen läßt. Gegenüber meiner Kanzel begrenzt eine kiefernbestandenen Endmoräne die Äcker. Davor windet sich der nächste Feldweg als Schleichweg ins Nachbardorf entlang. Die Kanzel reckt sich aus einem eisernen Wagen hoch. Deren Holz ist schwarz geteert. Daher ihr Name schwarzer Kasten Box. So sitze ich also die Woche ab nachmittags bei bester Sicht bis in die Dämmerung, harre des Wildes das erscheinen mögen. Oft kommen kommen gegen Abend Rehe aus dem Mais, auf der aufgelassenen Wiese schmackhafte Kräuter zu äsen. Böcke, sowie Ricken mit deren Kitz stellen sich ein. Kitze saugen. Die Ricken sind vertraut. Sie lecken Ihre Kitze und schmusen mit ihnen. Lieb anzusehen. Kein alleiniges verlassenes Kitz ist hier zu sehen. Zu schießen ist nicht zu denken. Vor den Kiefern gegenüber äst ein Sprung Rehe im gelb blühenden Rainfarn. Ein laut knatternden Geländemotorrad zerreißt die Stille und düst auf die Reh zu. Schwupps, sind die Rehe verschwunden. Wohin? Der Knatterbock zieht seine Staubfahne hinter sich her, fort in die Ferne. Mein 20 x 77 Überauge zeigt mir alles. Kaum fünf Minuten später, Pop, pop, pop tauchen meine roten Freunde wieder auf. Keinen Meter flüchteten die; haben sich einfach nur in die Furche gedrückt und waren verschwunden. Sehr kraftschonend, denke ich. Gut zu wissen. Muß ich mir merken.

Pirsch

Wohl einen halben Kilometer weiter an einer Wiese vor der Pferdekoppel hinter dem Mais steht an den Kiefern steht die „Streit“kanzel. Mein optisches Zauberrohr sagt mir: Rot, klein, allein. Ja, das ist es! Nun fand ich mein Kitz. Kurze Beratung mit meinem Jagdherren am Händi: Ich „Das Kitz ist da, aber weit weg.“ Jörg „Pirsche! und zwar, je langsamer, desto näher du kommst“. Oh mein Gott, wie geht denn das? Ohne modische Wachsregenjacke, wie man sie ja auch in der Stadt gern trägt, ist meine steingrüne Jagdkleidung leise. Ich steige von der Kanzel, gehe wie gewöhnlich die ersten 500 m gut gedeckt durch den Mais an dem entlang, bis ich auf gegenüberliegenden sandigen Feldweg erreiche. Der feinkörnige Untergrund hilft mir leise zu bleiben. Aber mal raschelt mein Stiefeltritt raschelt. Mir schlägt das Herz hoch „Ob es mich gehört hat?“ (auf noch 200 m). Es hat nicht. Jetzt geht es über den Acker. Ich gehe langsam auf meine Beute zu. Vorsichtig wie ein Katze, setze ich meine Füße sachte auf. Es muß mich doch sehen. Wieso erkennt es mich nicht? Nicht zu fassen! Ich gehe g-a-a-a-nz langsam einfach hin, und es springt nicht ab. Unglaublich, doch wahr! Keine 100 m mehr bis zum Stuck. Ich kniee mich runter, backe an, Kitz springt ab. Na Prost, das kenne ich schon.

Streitkanzel

Jetzt weiß ich immerhin, wo sich mein zu erlegendes Kitz gewöhnlich aufzuhalten scheint. Nächstes Mal werde ich schlauer sein. Meinen Wagen lasse ich am Dorfrand hinter mir stehen, gehe von dort den Feldweg auf dem leisen Sand unterhalb der Endmöräne entlang bis zur Streitkanzel. Ich merke nicht, daß meine Beute, vom Mais in der Kurve verdeckt, schon da ist. Meine Beute bemerkte mich wohl, denn sie springt ab. Und nun? Ich beschließe mich als Tourist ohne jagdliche Absicht zu tarnen. Laut singend, die Steine mit meinen Stiefeln stoßend, gehe ich den Weg entlang, bis ich die Streitkanzel weit hinter mir gelassen habe. Dort vom Sandstreifen durch die Kiefern rechts ab auf die Pferdekoppel und im weichen Gras leise zur Streitkanzel zurück. Von der Kanzel kann ich rechts durch den Hollunder nichts sehen, dwars links liegt die Pferdekoppel (Achtung, erschieß kein Pferd! denke ich). Die Weide ist gegattert. Die Pfosten sind gut zu erkennen. Voraus der Acker vor dem Mais. Kein Kitz zu sehen. Soll man kommen. Ich bin allein. Es raschelt unter mir. Wer ist es? Eine Maus! Die Zeit rinnt. Ich kann warte. Das Kitz kann nicht. Da es nicht mehr gesägt wird, muß es äsen. Ich döse so vor mich hin. Es dämmert. Die Farbe verblassen ins Graue.

Was ist das? Ohne zu wissen woher, ist das Kitz plötzlich auf dem Acker neben der Weide aufgetaucht. Jetzt ran! Meine .30-06 Sprg. mit RWS 10,7 KS Geschoß ist nun endlich mit. Jetzt soll sie zeigen, was sie kann. Soll ja für Rehe und Sauen gleichermaßen gut geeignet sein, meinte der Verkäufer. Na denn! Ich backe an. Den Vorderschaft auf der Hand weich am Kanzelrand abgestützt kann ich gut anlegen. Das Kitz nimmt in meinem Absehen 4 gerade mal den halben Raum zwischen den dicken Balken ein. Wie haben wir's doch gelernt? 70 cm auf 100 m Zwischenraum beim deutschen Absehen 4. Also alles klar, das Kitz ist 35 cm breit. Paßt. Ansprache erfolgreich, also man drauf. Ich steche ein. Mensch, des Biest wackelt hinter dem Zielkreuz immer noch so herum. Ob ich meine Nerven wohl je mal in den Griff kriege? Krach!. Es blitzt! Diesmal habe ich den Schaft in die Schulter eingezogen. Kein Blut fließt mir ins Auge. Aber wo ist mein beschossenes Stück? Den vermeintlichenAnschuß sehe ich vor mir bei dem Weidepfosten mit dem Knick, so 5 m schräg daneben. Nach dem Schuß soll man 10 Minuten warten. Ich sehe auf die Uhr. Geht der Zeiger denn gar nicht weiter? Ich halte unter größten Anstrengungen 8 Minuten aus, bis ich von der Kanzel abbaume. Die Büchse mit ZF nehme ich mit. DemAnschuß auf die Hälfte genähert, höre ich ein „Plopp, Plopp“ im Höhen Gras. Das Stück ist im Bewuchs nicht auszumachen. Was ist denn das? Näher ´ran. Da springt das Stück auf, springt seltsam auf, wie ich noch kein Reh je springen sah, und „Plopp“ ist es wieder unten. Näher ´ran. Da liegt es. Doch ganz schön groß. Den Kopf hat es noch oben und blickt mich an. Ich muß ihm den Fangschuß geben. Büchse hoch, Krach, der Schuß ging ins Gemüse (Man sollte nicht mit eingestochener Waffe durch die Gegen rennen, denke ich, oder war die gar nicht eingestochen). Schnell repetiere ich und ziele, aber wie, durch das ZF sehe ich auf die kurze Entfernung nichts. Ich schieße. Krach! Blitz. Ich bin geblendet. Plopp, Plopp und das Stück ist weg.

Nachsuche

Ich rufe Jörg zu Hause an „Ich habe zwar das Kitz getroffen, aber nicht so wie ich wollte!“. Jörg „Ich komme!“ Ich meine, das Stück sein vom Acker runter in die Kiefern. Ich warte. Es wird dunkel. Jörg kommt. Jörg bringt seinen Fox-Terrier mit. Er will mir nicht glauben, das Stück habe dort gelegen, wo ich ihm zeige. Sein Terrier glaubt mir. Er nimmt sogleich des Rehes Fährte auf. Er bewegt sich zügig zu den Kiefern hin. Wir hören Reh! Reh. Also hat der Terrier das Reh gegriffen. Es schreckt jämmerlich. Grausig anzuhören. Der Hund gibt Standlaut. Wir hin. Keine 15 m hinter dem Weg in den Kiefern zieht das zahme Raubtier in meinen Deinsten unsere Beute nieder. Wir `ran. Jörg sagt „So, nun nimm mal Dein Messer und löffele die Suppe aus, die du hier eingebrockt hast!“ Oh, Mann. Jetzt soll ich mit dem kalten Stahl dem armen Tier handgreiflich den Rest wilden Lebens, das noch in ihm steckt, nehmen. Au, Backe. Jörg „Du mußt (zeigt auf die Kammer) hier einstechen, und dann die Klinge zur Seite drehen!“ und sieht mich fest an. Ich muß. Es sei! Ich steche in die warme weiche Decke. Den kalten Stahl drehen ich ein viertel um. Die Rippe kratzt. Ein pfeifendes Geräusch ertönt. Das Kitz nimmt den Kopf runter und stirbt. Ich nahm sein Leben. Des Toten Augen bleiben offen. Puh! Jörg streicht dem Kitz im fahlen Taschenlampenschein seltsam über dessen Haupt, gerade so als ob er etwas erfühlen wollte. So, nun soll ich aufbrechen. Ich setze meine Klinge oberhalb des Beckenknochens an, um nach vorn durchzuziehen. Ich ziehe. Es fließt weiß. Weiß? Weiß!

Dem Jäger aus Kurpfalz
hat man das Arschloch zugenäht
jetzt scheißt er aus dem Hals,
jetzt scheißt er aus dem Hals,
Hurra, Hurra, gar lustig ist die Jägerei,
all hier auf grüner Heid, all hier auf grüner Heid!

Verdammte Schweinerei, kein Kitz, eine Ricke,! Jörg ahnte wohl, als er meine Geschichte hörte. Als er das Stück sah, wußte er sofort, sagte jedoch nichts. Mein zweites Stück Wild im Leben - voll daneben „So ist man den Schein ja schneller los, als man ihn erworben hat.“ „Was lernt uns das?“ fragt Hein Mück „Jagdherren, wenn wir Jungjäger keine praktische Ausbildung genossen, laßt uns ohne kundige Führung nicht allein hinaus!“, hoffentlich nie wieder.

Aber was geschah nun tatsächlich? Die Ricke war von Bug bis Steert gewöhnliche 70 cm lang. Aber sie machte nur 35 cm im ZF zwischen den Absehenbalken aus. Ganz einfach., sie war eben 200 m fort. Meine Waffe auf 100 m Fleck eingeschossen, saß mein Schönr Blattschuß, ballistisch einwandfrei, tief, schoß der armen Ricke die Läufe weg. So lebte das beschossenen Stück, konnte des Treffers trotz nicht flüchten. Fiel sie hin, hörte ich das gewisses „Plopp“. Die Blutergüsse der Terrierzähne standen keinem Hochrasanzgeschoß hinterher. Der Ricke Kitz traf ich den nächsten Tag aus 60 m auf die Kammer. Es lief noch 25 m weit fort, bäumte sich noch einmal auf und war dann tot.

Das ursprüngliche arme einsame, von seinem Leben zu erlösende, Kitz ward jedoch im Revier nie wieder gesehen.

Jüngjäger Hein Mück