Waidmanns Pech auf Elefantenjagd

Waidmanns Pech

Mißglückte Elefantenjagd

An der Wasserscheide des Kongo und Sainbesi, im Lande der Walunda, erwachte zögernd und unsicher der Morgen. Kein Vogelgezwitscher begrüßte die aufgehende Sonne, kein Summen der Insekten, die danach trachten, in den ersten Strahlen ihre taufeuchten Flügel zu trocknen. Im dichten Nebel lag das Land. Vergeblich suchten die Sonnenstrahlen einen Weg durch das feuchte Grau. Hier und da piepste zaghaft und verschämt ein Vogel, nicht sicher, ob wirklich ein neuer Tag geboren oder ob er im Traum erwacht war. Er plusterte sich auf in der Kühle. Neugierig musterten die blanken Äuglein die graue Welt. Vereinzelte Insekten versuchten aufzuschnurren. Vergeblich, die graue Feuchtigkeit drückte sie zu Boden. Ich saß am schlecht brennenden Lagerfeuer. Nur widerwillig fraß die rote Glut das feuchte Holz. Mich fror. Die Träger legten mein kleines Zelt zusammen. Der Nebel hatte sich durch die Leinwand gefressen. Ganz naß, doppelt so schwer wie sonst war die Last. Der Träger, der immer wegen der leichten Last von seinen Kameraden beneidet wurde, sah höhnisch lächelnde Gesichter um sich. Ich bewunderte seinen zur Schau getragenen Gleichmut. Nachdem die Sachen verschnürt waren, kamen die Männer ans Feuer. Sie hockten sich nach Negerart nieder, mit ausgebreiteten Armen, die Handfläche dem Feuer zugekehrt, als wollten sie die Glut umarmen, sie an den kalten Körper drücken.

Wir waren mitten im Elefantenrevier, hatten am vorigen Abend verschiedentlich frische Fährten gesichtet. Wir lagerten hier, um die Elefanten nicht durch den Lärm zu vergrämen. Ich hatte selbst angewiesen, kein Holz mit der Axt zu schlagen. Nur trockene Äste durften gebrochen werden; denn brechendes Holz schreckt die Elefanten nicht, aber ein Axtschlag, ein Geräusch von Metall, treibt sie zur Flucht. Eine Windströmung von tausend Meter entfernten Menschen setzt sie in Bewegung. Lautlos schließen sie sich zusammen. Mächtigen Schemen gleich gleiten sie auf weicher Sohle durch den Wald, wandern rastlos dahin, die ganze Nacht hindurch, um eine möglichst große Strecke zwischen sich und ihre Verfolger zu bringen.

Sieben Uhr; wir saßen noch am Feuer. Sonst waren wir um diese Zeit schon lange auf dem Marsche. Von den zwölf Stunden Licht, die es in den Tropen gleichmäßig das ganze Jahr hindurch gibt, muß man auf der Elefantenjagd jede Minute ausnutzen. Heute fehlte mir der Mut zum Aufbruch. Die Sonne nahm den Kampf auf, drückte den Nebel zur Erde, stieß Löcher hinein. Auf den Hügeln tauchten die Baumspitzen aus dem Nebelmeer, auf denen die Vögel fröhlich zwitschernd die wärmenden Sonnenstrahlen begrüßten.
Ich ließ aufbrechen. Noch steif vor Kälte hoben die Träger ihre Lasten. Der Mambunda-Elefantenjäger Makamanda setzte sich an die Spitze. Unsere Richtung war heute genau nach Westen. Alle Elefantenfährten, die wir am Tage vorher gesehen hatten, waren nach Süden gegangen. So kreuzten wir die Fährten und konnten die frischeste heraussuchen.
In jenen Tagen hatte ich mich zu einem lebenden Kompaß herausgebildet. Nur einmal am Tage brauchte ich mich nach dem Kompaß zu orientieren, um dann mit absoluter Sicherheit die Richtung einzuhalten. Die Elefantenjagd hatte mich folgende Methode gelehrt: Wenn ich das Standlager verließ, schlug ich eine Himmelsrichtung ein, in der ich Elefanten vermutete. Diese Richtung wurde so lange eingehalten, bis ich eine Fährte fand, die mehrere Tage alt sein konnte. Dann nahm ich sie auf, ließ mich vom Elefanten in das Elefantenrevier führen. Sobald andere Fährten bewiesen, daß wir im richtigen Revier waren, wurde wieder eine Richtung genommen, die quer zu den Spuren lief. Ich ging stets an zweiter Stelle hinter dem Jäger und gab die Richtung an.
Wir marschierten durch lichten Hochwald, über offene Stellen, auf denen mannsHöhes Farnkraut wucherte. Auf den großen Blättern lag die Feuchtigkeit der Nacht, die uns bis auf die Haut durchnäßte. Das Gelände senkte sich einem Flußlauf zu. Eine Ebene breitete sich vor uns aus, auf der noch der Nebel lag. Wir tauchten hinein in die Feuchtigkeit, die uns mit kalten Armen umfing.

Aus der grauen Sichtlosigkeit sprang ein Pfiff. Ein Riedbock, dessen scharfe Augen den Nebel durchdrangen oder dem ein Windzug unsere Witterung zugetragen hatte, war flüchtig geworden, suchte Schutz im sicheren Schilf am Rande des Flußlaufes. Plötzlich stockte Malcamanda. Er zeigte auf die andere Seite des Flusses. Mächtige schwarze Körper bewegten sich dort durch den lichter werdenden Nebel. Ich hob die Hand. Die gut geschulten Träger sanken lautlos zu Boden. Bevor ich mein Fernglas an die Augen bringen konnte, schob sich wie ein Vorhang eine neue Nebelwand vor uns. Ein Windstoß zerteilte sie. Durch die beschlagenen Linsen ließ sich nur undeutlich sehen. Doch sicher, es sind Elefanten 1 - Der Rauch meiner Pfeife zeigte den Wind günstig. Ich reichte zurück nach der Elefantenbüchse. Prüfte noch einmal den Wind. Drehte mich um, durch Zeichen den Trägern Ruhe gebietend. Und als ich wieder hinschaute nach den Elefanten, da brach siegreich die Sonne durch, und ihre Strahlen spiegelten sich auf dem schwarzglänzenden Fell einer Herde Wasserböcke, die im flatternden Nebel riesengroß erschienen waren. Eine Nebel-Fata-Morgana hatte uns ein Trugbild gezeigt, eine Hoffnung geweckt, die die Sonne mit ihrem Licht zerstörte.

Reges Leben beherrschte die vom Elefantenwechsel durchfurchten Flußebene. Herden Pferdeantilopen zogen dem Walde zu. Im Nebel verschwanden die Beine. Es sah aus, als schwömmen sie durch ein graues Meer. Kleine rote Oribi, von denen nur die Köpfe mit dem geraden, spitzen Gehörn sichtbar waren, sprangen schreckhaft ab, wenn wir nahe herankamen. Unsichtbar kläffte ein Schakal. Ganz verschwommen in Nebel und Sonnenlicht trieb eine große Herde Zebras. Ihr gestreiftes Fell paßte sich den abwechselnden Nebel- und Sonnenstreifen an. Man konnte sie für Schatten halten. Eine Gruppe ehrwürdiger Marabus hielt eine wichtige Ratssitzung am Flußufer ab.
Wir marschierten am Fluß entlang, der hier durch eine Sumpfniederung fliel3t. Die Karawane blieb etwas zurück. Ich wollte erst mit Makamanda einen gangbaren Weg finden. Im Schilfbestand bewegte sich eine schwere Antilope. Langsam wuchsen aus dem Schiff zwei helle Gehörnspitzen, strebten höher und zeigten die spinale Form des Kudugehörns. Doch dann wechselte kaum fünfzig Schritte vor mir ein prächtiger Sitatunga, diese seltene Sumpfantilope, deren Gehörn dem des Kudu gleicht, über eine Lichtung. Wie immer, wenn man auf Elefantenjagd nicht schießen darf, sah ich an diesem Tag das seltenste Wild, das ich oft wochenlang vergeblich gejagt hatte.

Wir stiegen aus der Niederung wieder hinauf zum Hochwald. Immer wieder kreuzten Elefantenfährten unseren Weg, aber alle waren drei bis vier Tage alt. Nachdem wir so einige Zeit gelaufen waren, lächelte uns das Glück. Vor uns, deutlich abgezeichnet auf dem feuchten Gras, lag eine frische Fährte. Es schien, als ob der Elefant erst eben durchgewechselt wäre. Es war die Spur eines mächtigen Bullen. Sorgfältig wurde sie untersucht. Sie war doch schon einige Stunden alt. Der Morgennebel hatte sich noch darauf gesenkt. Feuchtigkeit lag in den Rissen, die die Sohle in das Erdreich gedrückt hatte. Der Boden war hart, der Fuß des Riesen hatte sich nicht tief eingedrückt. Eine Elefantenspur auf hartem Boden sieht aus wie ein großer Emailleteller mit vielen Rissen und Sprüngen.

Als alle zehn Träger beisammen waren, nahmen wir die Fährte auf. Der Boy ging als letzter, um die Männer zusammenzuhalten. Der Elefant führte uns erst in schnurgerader Richtung durch lichten Hochwald. Es war leicht, ihm zu folgen. Die erste Losung, die wir fanden, war schon kalt. Makamanda hatte recht behalten. Der Elefant war hier vor Tagesgrauen entlanggestampft. Wir machten uns auf eine lange Verfolgung gefaßt. Das Gelände stieg gleichmäßig an. Es ging einer Wasserscheide zu. Dort sind immer Dickichte. Vielleicht wollte er sich im dunklen Schatten, wo ihm wenig Gefahr droht, einstellen. Im Dickicht angelangt, fing auch die Spur an, kreuz und quer zu gehen. Er hatte angefangen zu äsen. Aber auch die nächste Losung war kalt. Unter einem: Höhen Baum hatte er gestanden, mit dem Vorderlauf den Sand aufgewühlt und ihn sich in den Greifer des Rüssels gescharrt. Das ist fast immer ein Zeichen, daß der Elefant sich einstellen will. Den Sand bläst er sich unter den Leib und über den Rücken, um sich von den lästigen Stechfliegen und anderen Parasiten zu befreien, die ihn quälen. Hier mußte er sich zwischen G und 8 Uhr aufgehalten haben, denn auf einigen Spuren lag noch der Morgentau, während andere schon den Tau zerstört hatten. Wie ein offenes Buch liegt in solchen Fällen am Boden die Geschichte der Bewegung des Elefanten vor dem Jäger aufgezeichnet. Wir waren wohl kaum drei Stunden hinter dem Tier. Nach aller Voraussicht mußte es noch in dem Dschungel stehen.

Die Träger rasteten; ich zeigte ihnen am Stand der Sonne, wann sie mir wieder folgen sollten. Mit Makamanda ging ich allein weiter. Im Gehen knickten wir Zweige, legten auch sorgfältig Zweige über andere Fährten, die frisch aussahen, "schlossen den Weg", wie der Neger in ganz Afrika sagt. Wie man es auch mit Negerpfaden macht, die vom eigenen Weg abzweigen. So waren wir sicher, daß uns die Träger mit den Lasten nicht verfehlten. Mit aller Vorsicht pirschten wir weiter, blieben oft stehen, um den Wind zu prüfen, horchten auf jedes Geräusch. Wir konnten jeden Augenblick auf den Elefanten stoßen. Berechnen ließ es sich nicht mehr. Hier im Dschungel konnte man ihn ebensogut in fünf Minuten wie erst nach vielen Stunden antreffen. Bald merkte ich aber, daß er seine Absicht geändert hatte. Wohl war er noch äsend kreuz und quer gezogen, hatte auch noch einige Scharrstellen gemacht, aber ebenso deutlich erkannte ich, daß er immer eine bestimmte Richtung einhielt.
Der Dschungel war unheimlich ruhig. Kein Vogelgezwitscher, keine Schreie munterer Affen. Es ist ein erregendes Unterfangen, Elefanten in den Dschungel zu folgen. Vorsichtig pirscht man weiter. Das Herz klopft zum Zerspringen: Jeden Augenblick kann auf wenige Schritte der Elefant vor einem stehen. Undurchdringlich ist die grüne Blätterwand des Dschungels, die auf wenige Meter jeden Ausblick versperrt. Plötzlich stockt der vorausgehende Fährtensucher - Bestimmt gerade in dem Augenblick, wo man einen Fuß hochgehoben hat, um über eine Liane hinwegzutreten. Auf einem Bein balancierend, muß man stehenbleiben. Lauscht angestrengt nach vorn. Glaubt ein Geräusch zu hören. Aber vielleicht ist es nur das ungestüme Schlagen des eigenen Herzens oder eine Buschantilope, die flüchtig abgeht. Dann geht es weiter. Bald heißt es über einen umgestürzten Baumriesen klettern, bald sich wie ein Wiesel unter den Lianen durchwinden. Sähe man nicht die untrüglichen Zeichen, die Trittsiegel des Elefanten, vor sich, man würde es nicht glauben, daß kurze Zeit vorher der mächtige Dickhäuter durchgewechselt ist. Hinter ihm hat sich der Dschungel wieder geschlossen. Den Rüssel steif, schräg nach unten haltend, hat er sich die Lianen über den Rücken gleiten lassen. Über die Baumstämme, die wir mühselig überklettern, ist er leicht hinweggetreten.

Der Elefant war nicht im Dschungel geblieben. Er hatte seinen Plan geändert. Vielleicht war er des Alleinseins müde. Jedenfalls hatte er wieder zu marschieren begonnen, und bald waren auch wir wieder am Rande des Dschungels und folgten nun der Spur im offenen Hochwald. Wir waren jetzt dem Elefanten dicht auf den Fersen. Er hatte sich im Dschungel Zeit gelassen. Es lag frische Losung auf dem Wechsel, ganz gelb, feucht schimmernd.
Malcamanda steckte den bloßen Fuß hinein. Ganz ehrfurchtsvoll. Es lag etwas Wollüstiges in dieser einfachen Handlung. Ohne den Fuß herauszuziehen, spähte er nach allen Seiten, legte den Finger an die Lippen, Ruhe heischend, und sagte ganz stolz, als ob es sein Verdienst sei, nur das eine Wort ,,warm". Es war jetzt leicht, der Fährte zu folgen. Ich konnte das Spüren Makamanda allein überlassen. Ich spähte nach vorn und nach den Seiten. Es ist immer möglich, daß ein Elefant einen Bogen schlägt. Ich kann mir nichts Aufregenderes vorstellen als die Verfolgung eines Elefanten auf frischer Fährte. Alle Sinne, jeder Nerv ist aufs äußerste gespannt. Man weiß, daß man dem Kampf mit einem wehrhaften Riesen entgegengeht, der, wenn er nicht gleich tödlich getroffen wird, der gefährlichste Gegner der Tierwelt ist. Selbst im offenen Gelände fährt man bei jedem Geräusch zusammen. Ein aufwirbelndes Frankolinhuhn bringt das Herz zum Stillstand.

Eine kaum merkliche Bewegung lenkte mein Auge zur Seite. Da stand ganz ruhig, uns mit seinen großen Lichtern vertrauensvoll anrätd, ein weißrückiger Duiker, eine ganz seltene Urwaldantilope, die mir immer noch in meiner Sammlung fehlte. Die Versuchung zu schießen war noch größer als bei dem Sitatunga. Aber heute galt die Jagd nur königlichem Wild. Die kleine Antilope stand ganz ruhig. Sie hatte wohl vor kurzem den Elefanten durchwechseln sehen. Es ist mir häufig passiert, daß selbst die scheuesten Antilopen auch auf Freier Steppe ruhig stehenblieben, wenn ich Elefanten nahe folgte. Einige hundert Meter vor uns rief ein Honigvogel.. Schrill gellte sein ,,tschip, tschip", durch den Wald, in dem die Vogelwelt eigentümlich wenig vertreten ist. Begleitet er den Elefanten, dieser kleine Satan, der mir schon so manches Stück Wild vergrämte?

Ich spähte aufmerksam nach allen Seiten und - was ist das? Parallel mit uns bewegt sich etwas Großes, Braungelbes, eine Löwin, die gemächlich, kaum achtzig Schritte entfernt, mit uns entlangtrollt. Neugierig äugt sie herüber. Sobald sie merkt, daß wir halten, verhofft auch sie.
Wie mühselig und erfolglos hatte ich Löwen gejagt. Ich hieß nicht umsonst bei meinen Kameraden in Rhodesia "der Löwenschreck", denn wo ich hinkam, waren die Löwen wie weggeblasen. Hier nun dieser leichte Schuß! Was war denn nur heute? - Wollte mich Diana nach Weiberart narren?
Wir gingen weiter. Gleich trollte die Löwin, scheinbar ein junges Tier, gemächlich neben uns her. Wieder ließ ich halten, wieder verhoffte sie. Setzte sich ruhig auf die Hinterhand wie ein großer Hund. Gähnte gelangweilt. Mehrere Male wiederholte sich das selbe Manöver. Ich merkte, wie Makamanda unruhig wurde. Auch mir fiel die stumme Begleiterin auf die Nerven. Ich versuchte, sie zu vergessen und nur nach dem Elefanten auszuschauen. Vergeblich! Zu groß war die Anziehungskraft der geschmeidigen jungen Dame. Voller Wut nahm ich ein Stück trockenes Holz, warf nach ihr. Natürlich ohne sie nur annähernd zu erreichen. Sie nahm kaum Notiz davon. Es kam mir vor, als ob sie mir nur einen verächtlichen Blick zuwarf. Jedenfalls trabte sie weiterhin friedlich neben uns her.

Makamanda schien sich mit der Begleitung abgefunden zu haben. Soviel Mühe ich mir gab, ich konnte den Blick nicht von ihr lassen. Beinahe wäre ich über den Jäger gefallen, der lautlos zusammensank und mit weit ausgestreckter Hand nach vorn zeigte. Hundert Meter vor uns zog ruhig der Elefantenbulle. Verhoffte, um einen besonders leckeren Zweig mit dem Rüssel abzureißen und in den Rachen zu schieben. Bei jeder Schwingung des Schädels hoben sich zwei mächtige Stoßzähne schneeweiß gegen das dunkle Grün des Waldes ab. Vor mir stand die edelste Beute. Vergessen, ausgelöscht waren die Löwin, die seltenen Antilopen. Noch einmal prüfte ich den Wind, der leidlich stand, entsicherte vorsichtig die schwere Doppelbüchse. Nun übernahm ich die Führung. Makamanda folgte dicht hinter mir mit der Reservebüchse. Lautlos wie ein Leopard glitt ich durch den Wald, jede Deckung ausnutzend, von Baum zu Baum. Ganz langsam zog der Elefant. Jetzt stockte er wieder, stand im Schatten eines großen Baumes. Blitzschnell machte ich den Platz aus, von dem ich schießen wollte. Eine kleine Lichtung lag dazwischen. Ich huschte darüber hinweg. Noch stand der Bulle. Einen Augenblick machte ich halt, um Herz und Lunge zu beruhigen.

Die Nerven sind ruhig, jetzt, wo das Ziel vor Augen liegt. Noch ein paar Schritte. Ein Baum bietet Deckung, an dem ich vorsichtig die Büchse anstreiche. Der Elefant steht günstig, ganz breit. Allerdings etwas stark im Schatten, doch deutlich auszumachen. Kaum dreißig Gänge. Kopf- oder Blattschuß? - Schatten und schwere Büchse. Ich entscheide für Blatt. Er steht regungslos. Brummt zufrieden. Selbst sein unheimlich feiner Instinkt läßt ihn keine Gefahr wittern. Die schweren Zähne berühren fast den Boden. Ich bringe Kimme und Korn auf den Ohrrand. Gehe langsam hinunter, bis ich die Spitze habe, die an der Vordersäule anliegt. Tief, dort wo sich das Herz befindet. Freie Schußbahn. Ruhig liegt das Gewehr. Nicht ein Zittern des Laufes. Langsam krümme ich den Finger. Die Explosion von zehn Gramm Nitropulver zerreißt die Stille des Waldes. Lauter Anschlag des 75 Gramm schweren Geschosses. Der Rückstoß dreht mich herum. Schnell werfe ich mich zurück, den zweiten Lauf anzubringen. Der Elefant ist verschwunden, wie vom Erdboden verschlungen.

Einige Sprüngen bringen mich zu dem Platz, an dem er gestanden hat. Suche nach einer Schweißspur. Folge dem Weg, den er durch ein dichtes Gestrüpp gebrochen hat. Deutlich zeigt sich die weitausgreifende, flüchtige Fährte. Kein Tropfen Schweiß. Kehre wieder zurück zum Anschuß. Suche - suche. - Es ist doch unmöglich, daß ich gefehlt habe! - Makamanda ruft. Ich stürze zu ihm. Da zeigt er mir traurig denAnschuß in dem Baum, unter dem der Elefant gestanden hat. Grausames Jagdpech! Er hatte nicht diesseits, sondern jenseits des Baumes gestanden. In dem trügerischen Schatten verschwamm die graue Rinde des Baumes mit der grauen Haut des Elefanten. Als wir am Abend zu Tode erschöpft die hoffnungslose Verfolgung aufgaben, da sagte Makamanda resigniert: ,,Herr, die Löwin, die uns begleitete, war keine Löwin, sondern ein Waldgeist, der nachher Deine Kugel in den Baum lenkte."

Hans Schomburgk

Würdigung

Zu der jagdlichen Lage ist nichts zu sagen. Pech! Zu der ballistischen schon. Schomburgk's .600 Expreß würde mit heutigen 10 g Nitropulver auf knapp 2.500 bar CIP-Druck geladen, so ein 75g Geschoß (Man stelle sich den Riesenbengel mal vor!) auf 555 m/s beschleunigen. Der Elefantenrechner zeigt auf Eichenholz 63 cm Eindringtiefe. Die 9,3x70 LM würde mit 24g bei 800 m/s darin 72 cm tief eindringen. Da wir nicht wissen, wie dick der Baum war, noch sein Holz kennen, endet die ballistische Betrachtung mit der Erkenntnis Bäume besser zu meiden.

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